Erfolgreiches Bankkunden-Urteil des Landgerichts Hamburg vom 29.6.2023 zum Aktenzeichen 330 O 127/22 nach Schließfach-Aufbruch

In Hamburg wurden nacheinander verschiedene Schließfachräume der Hamburger Sparkasse von Straftätern überfallen und ausgeraubt. Obgleich aus dem Überfall auf eine andere Filiale der Hamburger Sparkasse bekannt war, wie professionell die Täter mit Vor-Ort-Wissen vorgehen und welche Schutzmaßnahmen als „Hochrisiko“-Standard einzurichten waren, hatte die Bank in der betroffenen Filiale im Jahr 2021 keine ausreichenden technischen und praktischen Sicherheiten nachgerüstet und berief sich darauf, dass sie in ihren Schließfachbedingungen eine Haftungsbegrenzung in Höhe von EUR 40.000,00 für derartige Schadensfälle habe. Nachdem die Straftäter in der streitgegenständlichen Filiale ebenfalls professionell vorgegangen waren und von 1.200 Schließfächern insgesamt 650 Schließfächer aufgesprengt hatten, verlangte der Kläger in der Entscheidung des Landgerichts Hamburg vom 29.6.2023 zum Aktenzeichen 330 O 127/22 die Erstattung von EUR 150.000,00, die sich nach der Auflösung eines entsprechenden Sparbuchs in bar im Schließfach befunden hatten. Die Bank zahlte zunächst nur EUR 40.000,00 aus. Das Landgericht Hamburg hat dem Kunden gemäß der §§ 280, 249, 398 BGB den vollen Schadensersatz in Verbindung mit dem Vertrag über die Vermietung eines Schrankfaches zugesprochen, so dass er die restlichen EUR 110.000,00 auch erhalten hat. Die Haftungsbeschränkung in den Schließfach-Vermietungsbedingungen auf eine Ersatzsumme bis zu EUR 40.000,00 sei nach § 309 Nr. 7 BGB (Haftungsausschluss nicht bei grobem Verschulden) unwirksam.

Schliessfächer müssen auf dem aktuellen technischen Sicherheitsstand sein

Das Landgericht Hamburg führt in seiner Entscheidung gemäß der Veröffentlichung in der Datenbank Landesrecht Hamburg, letzter Zugriff am 26.1.2025, aus: „Bei dem in Rede stehenden Vertrag über die ‚Vermietung eines Schrankfaches‘ vom 30.4.2021 handelt es sich um einen Mietvertrag (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.2.2012 – 24 U 193/11, Juris, Rz. 33 ff.; Klanten in: Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl., § 48, Rz. 3; Bunte/Zahrte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 6. Aufl., 4. Teil, IX, A.I., Rz. 1a). b) Die Hauptleistungspflicht der Beklagten bestand darin, dem Zeugen T. das Schrankfach auf unbestimmte Zeit zum Gebrauch zu überlassen. Darüber hinaus schuldete die Beklagte die Zurverfügungstellung eines Schrankfaches, das den besonderen Sicherungsbedürfnissen des Kunden Rechnung trägt und vor schädlichen Einwirkungen wie u.a. Diebstahl geschützt ist. Dass der Kunde als Mieter dabei eine besondere Sicherheit für die von ihm in das Schließfach eingelegten Gegenstände erwartet, die er bei einer anderweitigen Lagerung in Privat- oder Geschäftsräumen selbst bei besonderer Sicherung (beispielsweise in Tresoren) regelmäßig nicht erreichen kann, weil schon die Gebäude- und Raumsicherung bei Banken meist erheblich ausgeprägter ist und einen höheren Schutz vor Entwendung bietet (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O., Rz. 34), war eine auch hier für die Beklagte erkennbare Erwartungshaltung. Denn ausweislich ihrer ‚Bedingungen für die Vermietung von Schrankfächern‘ (Anlage B3) sah sie sowohl ein gesondertes Verschlusssystem wie auch erhöhte Sorgfaltspflichten des Kunden für die Nutzung und Aufbewahrung des Schlüssels für das Mietfach vor, als auch eine Haftung ihrerseits für einen Betrag von € 40.000,00 im Falle von insbesondere Einbruchdiebstahl. Dadurch hat sie zu verstehen gegeben, dass es aus ihrer Sicht nicht unüblich ist, dass Kunden besonders zu sichernde Gegenstände im Wert von mindestens € 40.000,00 in einem Schließfach aufbewahren. Ein auf diese Weise erhöhtes Sicherungsbedürfnis des einzelnen Mieters hat sie damit akzeptiert und muss ihre Schutzmaßnahmen daran messen lassen. Insoweit prägen den Mietvertrag die Besonderheiten eines Schließfach- bzw. Schrankfachvertrages unter dem Aspekt der erwarteten höheren Sicherheit und die aus ihm folgenden Verpflichtungen der Bank über das gesetzliche Maß hinaus (OLG Düsseldorf, aaO, Rz. 37). Die Beklagte schuldete vor diesem Hintergrund die sog. tresormäßige Sicherung, d.h. die Bewachung und Sicherung der Schrankfachanlage, wobei die Sicherung die Schrankfachanlage selbst betrifft, die nach dem anerkannten – also sich fortentwickelnden – Stand der Technik ausgestattet sein muss (vgl. OLG Düsseldorf, aaO, Rz. 37; Klanten in: Ellenberger/Bunte, aaO, Rz. 5 mwN). Wie die Beklagte in rechtlicher Hinsicht zutreffend anführt, kann dieser anerkannte, sich fortentwickelnde Stand der Technik nicht vor jeglichen denkbaren Gefahren schützen. Einen solchen Maßstab anzulegen überspannte die von der Beklagten zu fordernde Sicherungspflicht auch mit Blick auf die berechtigten Sicherungserwartungen ihrer Kunden (s.o.). Diese können und müssen daher nur insoweit Berücksichtigung finden, als sie sich an den konkreten Gegebenheiten orientieren und von einem umsichtigen und informierten Schließfachkunden ausgehen. Art und Umfang der konkret vorzuhaltenden Sicherungsvorkehrungen haben sich daneben auch daran zu orientieren, ob für die Sicherheit der Schrankfachanlage über die allgemeinen Risiken hinaus spezifische Risiken bestehen, deren Verwirklichung durch zumutbare Maßnahmen begegnet werden kann. Der von der Beklagten ins Feld geführte Maßstab, der anerkannte Stand der Technik müsse vor den im Einzelfall üblicherweise zu erwartenden Gefahren schützen, ist daher mit den vorgenannten Maßgaben auch aus Sicht der Kammer anzulegen. Diesem Maßstab ist die Beklagte indes nicht gerecht geworden. Die Beklagte hat ihre Pflichten aus dem Vertrag mit dem Zeugen T. verletzt, weil sie die spezifischen Risiken, die sich angesichts des Einbruchsversuchs in ihrer Filiale H.str. für sie offenbarten und vor deren Verwirklichung ein umsichtiger und informierter Schließfachkunde Schutz erwarten durfte, bei der Sicherung ihrer Anlage in der Filiale… in N. nicht hinreichend berücksichtigt hat. aa) Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass in der Filiale H.str. am 24.10.2020 ein Einbruchsversuch erfolgte und die Täter versucht hatten, im Keller des dortigen Gebäudes die Wand zum Tresorraum mit einem Kernbohrer zu durchdringen, um sich anschließend Zugang zu den im Tresorraum vorhandenen Kundenschließfächern zu verschaffen. Dem Bildmaterial zufolge (Anlagenkonvolut K 4) hatten die Täter bereits zur Ausführung der Tat angesetzt und mit dem Bohren begonnen. Um in den Keller zu gelangen hatten sie bereits zwei alarmgesicherte Stahltüren überwunden, indem sie einen Kontaktalarm in beiden Türen mittels eines Trennschleifers umgangen hatten. Den für die Tatausführung genutzten Kernbohrer, der in seinem Durchmesser von ca. 45 cm dem für die streitgegenständliche Tat verwendeten Kernbohrer entsprach, hatten sie auf einem Schienensystem montiert und über ein im Treppenbereich des Objekts gelegenes Waschbecken mit einer Wasserkühlung versorgt. Sie brachen die Tatausführung letztlich ab, wobei nicht festgestellt ist, ob dies aus eigenem Antrieb erfolgte oder weil sie während der Tatausführung gestört wurden. Unstreitig – und aus der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht K. (AZ: …), dortiger Sonderband 11 „Erkenntnisse“ Bd. I, Bl. 3 ersichtlich – waren die im Vorraum zum Tresorraum als auch im Tresorraum selbst vorhandenen Bewegungsmelder der Alarmanlage mit passgenauen Aufklebern zugeklebt und hatten die Täter diese Bewegungsmelder bereits vor dem Abend des 23.10.2020 zu Filialöffnungszeiten manipuliert (s. auch Anlage B 10). Diese Manipulationen durch die Aufkleber waren nach Einschätzung der H. Kriminalpolizei auf den ersten Blick nicht erkennbar und wurden erst durch die Kriminalbeamten am Tatort bemerkt (Bl. 3 der Ermittlungsakte, aaO).“

Parallele Schließfächersicherheit zur Sicherheit des Online-Bankings

Das Landgericht Hamburg stellt weiter klar: „Im Bereich des Schließfachschutzes kann dabei angesichts der vorgenannten berechtigten Kundenerwartungen kein geringerer Maßstab gelten als im Bereich des Schutzes eines Kontos beim Online-Banking. Für Schließfachüberlassungen gelten beispielsweise im Hinblick auf die Legitimationsprüfung dieselben Anforderungen wie bei Eröffnung eines Kontos (Ellenberger/Bunte BankR-HdB, 6. Aufl., § 48. Safevertrag, Schließfach Rn. 8). Die Bank muss auch hier ein technisch sicheres System nach dem jeweils aktuellen Stand der Technik bereitstellen. Im Rahmen des Kontoschutzes beim Online-Banking besteht die von jedem umsichtigen und informierten Bankkunden angenommene und von der Rechtsprechung folgerichtig vorausgesetzte Pflicht der Bank, auf Grundlage des neuesten Stands der Erfahrung laufende und kurzfristige Änderungen in Sicherungssystemen und Angriffsszenarien zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 26.1.2016 – XI ZR 91/14, MMR 2016, 382 Rn. 41 f.). Dabei stellte der Bundesgerichtshof ausdrücklich als Maßstab darauf ab, ob praktisch erfolgreiche Angriffe auf ein auf eine bestimmte Weise ausgestaltetes System in der Öffentlichkeit bekannt geworden waren (dort: zahlreiche bekannt gewordene erfolgreiche Attacken im smsTAN-Verfahren). Aus welchen Gründen eine Bank aber verpflichtet sein soll, ihr elektronisches System und dessen Schutz an sich veränderndes Täterwissen, deren Professionalität und deren Vorgehensweisen anzupassen (vgl. dazu auch KG, Urteil vom 29.11.2010 – 26 U 159/09, MMR 2011, 338, 339 f. für das PIN/TAN-Verfahren), sie eine solche Pflicht bei manuell – und damit tendenziell sogar einfacher – zu schützenden Wertgegenständen ihrer Kunden in Schließfächern aber nicht treffen soll, erschließt sich der Kammer nicht.

Fachanwaltliche Rechtsdurchsetzung gegen Banken

Haben Sie Probleme mit Ihrem Bankschließfach-Mietvertrag? Fragen Sie sich, wie Sie beweisen können, was sich alles in Ihrem Bankschließfach befindet, falls es zu einem Schließfachaufbruch kommen sollte oder Inhalte aus Ihrem Bankschließfach fehlen sollten? Wenn Sie Fragen haben, kontaktieren Sie uns! Gerne prüfen wir für Sie schnell und lösungsorientiert die rechtlichen Möglichkeiten und vertreten Ihre rechtlichen Interessen und setzen professionell und engagiert Ihre Rechte durch!

Kontaktieren Sie unsere erfahrene Fachanwaltskanzlei jetzt per kostenfreier Anfrage:

DR. GÄBHARD RECHTSANWALTSKANZLEI

Wir freuen uns sehr auf Ihre unverbindliche und kostenfreie Anfrage!

Zurück zum News-Überblick

Leave a Reply

KONTAKT
close slider





    Einwilligung zur Datenverarbeitung gemäß

    Standorte der Kanzlei

    Kanzleisitz München

    Tel: 089/45 21 33 88
    Fax: 089/45 21 33 99

    Zweigstelle Berlin

    Tel: 030/303 66 45 40
    Fax: 030/303 66 45 41

    Bei Einverständnis mit der Datenverarbeitung gemäß unserer Datenschutzerklärung senden Sie uns gerne Ihre Informationen und Unterlagen per E-Mail an kanzlei@gaebhard.de