Hilfe vom Bundesgerichtshof: Keine Verjährung der Finanzberaterhaftung bei gescheiterter Kapitalanlage im Urteil vom 20.10.2022 zum Aktenzeichen III ZR 88/21

In der neuen vielbeachteten aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 20.10.2022 zum Aktenzeichen III ZR 88/21 befasst sich das oberste deutsche Zivilgericht mit der Frage, wann Kapitalanleger, denen von einer betrügerischen Goldverkaufsstiftung vorgespiegelt wurde, echte Goldbarren zu erwerben und bei der Insolvenz der Gold-Stiftung ein Aussonderungsrecht für ihre Goldbarren und damit für ihr Eigentum zu haben, erkennen müssen, dass sie das Opfer von Betrug geworden sind und gegen den Finanzdienstleister wegen Falschberatung vorgehen können. Es geht somit um die Abgrenzung zwischen grob fahrlässiger Untätigkeit des Anlegers, der sich nach der Insolvenz des Gold-Unternehmens nicht sofort an einen Anwalt wendet, und wirklichem Wissen, dass Schadensersatzansprüche gegen den Finanzdienstleister bestehen, weil der Finanzdienstleister nicht über die Risiken der Geschäfte aufgeklärt hat. Erworben wurde Falschgold und die Anlegergelder sind von den Stiftungsverantwortlichen veruntreut worden.

Keine Verjährung bei Vertrauensverhältnis zum schädigenden Finanzberater

Der BGH stellt klar, dass nach § 199 Absatz 1 BGB die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, dies mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Erforderlich ist im Rahmen des § 199 Absatz 1 Nr. 2 BGB grundsätzlich die Tatsachenkenntnis und nicht die Rechtskenntnis. Der BGH schreibt im Urteil vom 20.10.2022 zum Aktenzeichen III ZR 88/21:

„Erforderlich ist, dass der Gläubiger um die anspruchsbegründenden Umstände weiß und nicht, dass er den Vorgang rechtlich zutreffend beurteilt (vgl. nur Senat, Urteile vom 19. März 2008 – III ZR 220/07, NJW-RR 2008, 1237 Rn. 7; vom 18. Dezember 2008 – III ZR 132/08, NJW 2009, 984 Rn. 13 f und vom 24. April 2014 – III ZR 156/13, NJW 2014, 2345 Rn. 26; siehe auch Senat, Urteil vom 11. Januar 2007 – III ZR 302/05, BGHZ 170, 260 Rn. 28 mwN zu § 852 BGB aF). (…) a) In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass in einem Fall, in dem bei einem Schadensersatzanspruch der haftungsauslösende Fehler in einer falschen Rechtsanwendung des Schuldners liegt, die Kenntnis dieser Rechtsanwendung als solche nicht ausreichen kann; vielmehr muss der Geschädigte Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis davon haben, dass die Rechtsanwendung fehlerhaft gewesen ist (Senat, Urteil vom 24. April 2014 aaO; vgl. auch Senat, Urteil vom 7. März 2019 – III ZR 117/18, BGHZ 221, 253 Rn. 21; BGH, Urteile vom 6. Februar 2014 – IX ZR 245/12, BGHZ 200, 172 Rn. 9 ff und 15 ff und vom 29. Oktober 2021 – IX ZR 10/20, NJW 2021, 1957 Rn. 27 f). Die bloße Kenntnis der tatsächlichen Umstände vermag dem Laien noch keine Kenntnis der Pflichtwidrigkeit einer Handlung zu vermitteln (BGH, Urteil vom 6. Februar 2014 aaO Rn. 13 f). (…) b) Die Kenntnis der Insolvenz der B.-Stiftung und des Umstands, dass der Insolvenzverwalter hinsichtlich der Aussonderung des erworbenen Goldes einen anderen Rechtsstandpunkt einnahm als der Geschäftsführer der Beklagten, genügt für die Annahme grober Fahrlässigkeit schon deshalb nicht, weil nach der Senatsrechtsprechung der Anleger, der bei seiner Entscheidung die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse eines Anlageberaters oder -vermittlers in Anspruch nimmt, dessen Ratschlägen, Auskünften und Mitteilungen besonderes Gewicht beimisst und es daher in der Regel kein grobes Verschulden gegen sich selbst darstellt, wenn er ohne ‚dringenden Anlass‘ davon absieht, dessen Angaben zum Beispiel durch Lektüre des Emissionsprospekts weiter zu überprüfen. Unterlässt der Anleger eine Kontrolle des Beraters oder Vermittlers, so weist dies in erster Linie auf das bestehende Vertrauensverhältnis hin und ist deshalb für sich genommen nicht schlechthin unverständlich oder unentschuldbar im Sinne grober Fahrlässigkeit gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Dies gilt auch für beschwichtigende Äußerungen des Beraters oder Vermittlers nach Zeichnung der Anlage (vgl. Senat, Urteile vom 7. Juli 2011 – III ZR 90/10, juris Rn. 19; vom 22. September 2011 – III ZR 186/10, NJW-RR 2012, 111 Rn. 10 und vom 17. März 2016 – III ZR 47/15, WM 2016, 732 Rn. 13 und 18).“

 Kann der Anleger also darlegen und nachweisen, dass er aufgrund eines Vertrauensverhältnisses zum Finanzberater nicht einen Anwalt mit einer Überprüfung der Sach- und Rechtslage beauftragt hat und selbst keine Rechtskenntnisse hatte, ist ihm keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen und er kann damit erfolgreich einer etwaigen Einrede der Verjährung vom Finanzberater entgegentreten.

Fachanwaltliche Rechtsdurchsetzung bei Kapitalanlagebetrug § 264a StGB

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