Persönliche Haftung des Geschäftsführers wegen Kapitaleinwerbung ohne Erlaubnis nach § 32 KWG bei Nachrangdarlehen gemäß des Urteils vom Oberlandesgerichts Dresden vom 25.4.2024 zum Aktenzeichen 8 U 514/23

Ein Geschäftsführer einer Anlagegesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG warb ohne Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gemäß § 32 KWG verbotenerweise Anlegergelder mit einem Rückzahlversprechen im Prospekt ein, wobei die qualifizierte Nachrangabrede bewusst intransparent und unverständlich für die Kunden im Sinne von § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB gewesen ist. Unter eine „qualifizierten Nachrangabrede“ bei einem Darlehen versteht man eine Vereinbarung, die sehr anlegernachteilig und verbraucherfeindlich ist, denn die Anlegerperson als Darlehensgeberperson soll sich dabei verpflichten, bei einer Insolvenz der Anlagegesellschaft nicht klassisch nach § 38 Insolvenzordnung die eigenen Schadensforderungen, insbesondere den eingezahlten Darlehensbetrag und fehlende Zinsen sowie Nebenkosten geltend zu machen, sondern nur ein nachrangiger Gläubiger nach § 39 InsO zu sein, der in vielen Fällen bei einer geringen Insolvenzmasse dann gar keine quotale Ausschüttung erhält. Da diese Abrede hier so unklar formuliert war, denn im Prospekt stand überall „Darlehen“, was nach einem klassischen Darlehen klang, damit die Anlegerpersonen den großen Nachteil nicht merkten, hat das Oberlandesgericht Dresden einem klagenden Kapitalanleger einen Schadensersatzanspruch gegen den Geschäftsführer der Anlagegesellschaft persönlich zugesprochen.

Das Oberlandesgericht Dresden führt in seinem Urteil vom 25.4.2024 zum Aktenzeichen 8 U 514/23 aus: „Der im Prospekt abgedruckte ‚Darlehensvertrag‘ regelte in § 1 Abs. 1, dass der Anleger dem Darlehensnehmer ein ‚nachrangiges und unbesichertes Darlehen‘ gewährt. In § 9 des Darlehensvertrags finden sich unter der Überschrift ‚Nachrangigkeit‘ nähere Rückzahlungsregelungen, auf deren Inhalt verwiesen wird. (…) Der Beklagte fungierte in einer Vielzahl zur sog. U……-Gruppe gehörender Gesellschaften als Geschäftsführer. Er war in den Jahren 2013 bis 2018 auch Geschäftsführer der Komplementärin der U…… IV GmbH & Co. KG. Seit Herbst 2020 beanstandete die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gegenüber mehreren Anlagegesellschaften der U……-Gruppe, dass die ohne bankaufsichtsrechtliche Erlaubnis vorgenommene Einwerbung von Nachrangdarlehen infolge einer fehlenden Deutlichkeit der gegenüber Anlegern verwendeten vorformulierten Nachrangklauseln unzulässig sei; ab dem Jahr 2021 erließ die BaFin gegenüber mehreren Anlagegesellschaften Einstellungs- und Abwicklungsverfügungen nach § 37 Abs. 1 KWG. Vor diesem Hintergrund wurde am 12.09.2022 auch das Insolvenzverfahren über das Vermögen der U…… IV GmbH & Co. KG eröffnet (401 IN 1269/22 – Amtsgericht Leipzig). Eine Rückzahlung des von der Klägerin gewährten Darlehens erfolgte nicht.“

  • 32 Absatz 1 Satz 1 KWG ist ein Schutzgesetz zum Schutz der Anleger

Das Oberlandesgericht Dresden schreibt weiter in seinem Urteil vom 25.4.2024 zum Aktenzeichen 8 U 514/23, dass der Geschäftsführer persönlich hafte,  dass die Anlagegesellschaft mit dem auch an Kleinanleger gerichteten Angebot von qualifizierten Nachrangdarlehen unerlaubte Einlagengeschäfte betrieben hat. Als Geschäftsleiter habe er entgegen der landgerichtlichen Auffassung schuldhaft eine Schutzgesetzverletzung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 KWG, § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB begangen und vor diesem Hintergrund der Klägerin den entstandenen Zeichnungsschaden zu ersetzen: „1. Es entspricht im Ausgangspunkt ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG ein Schutzgesetz zugunsten des einzelnen Kapitalanlegers im Sinne des § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB darstellt, sodass eine Verletzung der Erlaubnispflicht unter Berücksichtigung der in § 54 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 KWG vorgesehenen Strafbewehrung eine deliktische Einstandspflicht der emittierenden Anlagegesellschaft und entsprechend § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB des verantwortlichen Leitungsorgans begründen kann (BGH, Urteil vom 15.05.2012 – VI ZR 166/11, juris Rn. 11; Urteil vom 19.03.2013 – VI ZR 56/12, juris Rn. 11; Urteil vom 01.10.2019 – VI ZR 156/18, juris Rn. 12; Urteil vom 12.12.2019 – IX ZR 77/19, juris Rn. 17).“

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Qualifizierte Nachrangklauseln, so das Oberlandesgericht Dresden, seien vor diesem Hintergrund „insbesondere nur dann hinreichend transparent, wenn aus ihnen die Rangtiefe, die vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre, deren Dauer und die Erstreckung auf die Zinsen klar und unmissverständlich hervorgehen (BGH, Urteil vom 06.12.2018 – IX ZR 143/17, juris Rn. 36; Urteil vom 01.10.2019 – VI ZR 156/18, juris Rn. 23; Urteil vom 12.12.2019 – IX ZR 77/19, juris Rn. 25; Poelzig, WM 2014, 917, 926 f.; Gehrlein, WM 2017, 1385, 1387 f.). Im Hinblick auf die vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre gelten dabei besondere Anforderungen. Erforderlich ist einerseits, die Voraussetzungen der vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre hinreichend deutlich zu erläutern. Die Klausel muss vor allem klarstellen, inwieweit die Ansprüche aus dem Darlehen bereits dann nicht mehr durchsetzbar sind, wenn die Gesellschaft zum Zeitpunkt des Leistungsverlangens bereits zahlungsunfähig oder überschuldet ist oder dies zu werden droht (BGH, Urteil vom 06.12.2018 – IX ZR 143/17, juris Rn. 36; Urteil vom 12.12.2019 – IX ZR 77/19, juris Rn. 24). Es bedarf für einen Verbraucher genauer Beschreibungen und Erläuterungen (BGH, Urteil vom 06.12.2018 – IX ZR 143/17, juris Rn. 42; Urteil vom 12.12.2019 – IX ZR 77/19, juris Rn. 24). Andererseits ist es geboten, die Rechtsfolgen und Wirkungen einer vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre klar und unmissverständlich zu veranschaulichen. Dies bedingt, die rechtliche Tragweite der Nachrangabrede und die mit ihr verbundenen wirtschaftlichen Nachteile und Risiken zu erläutern (BGH, Urteil vom 06.12.2018 – IX ZR 143/17, juris Rn. 39; Urteil vom 01.10.2019 – VI ZR 156/18, juris Rn. 24; Urteil vom 12.12.2019 – IX ZR 77/19, juris Rn. 23 f.). Hierzu gehört zunächst, dass die Wesensänderung der Geldhingabe vom bankgeschäftstypischen Darlehen mit unbedingter Rückzahlungsverpflichtung hin zu einer unternehmerischen Beteiligung mit einer eigenkapitalähnlichen Haftungsfunktion deutlich zu Tage treten muss (BGH, Urteil vom 12.12.2019 – IX ZR 77/19, juris Rn. 23; vgl. BaFin-Merkblatt aus März 2014, NZG 2014, 379, 381). Darüber hinaus ist das über das ohnehin bestehende allgemeine Insolvenzausfallrisiko hinausgehende unternehmerische Geschäftsrisiko, das sogar über das Beteiligungsrisiko eines Gesellschafters hinausreichen kann (BGH, Urteil vom 01.10.2019 – VI ZR 156/18, juris Rn. 26; BaFin-Merkblatt aus März 2014, NZG 2014, 379, 381), in geeigneter Weise offenzulegen (BGH, Urteil vom 12.12.2019 – IX ZR 77/19, juris Rn. 23). Dabei müssen sich die besonderen Risiken in ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Tragweite klar und verständlich erschließen (BGH, Urteil vom 01.10.2019 – VI ZR 156/18, juris Rn. 24). Vor allem ist zu verdeutlichen, dass es zu einer dauerhaften Aussetzung jeglicher Tilgungs- und Zinszahlungen kommen kann (BGH, Urteil vom 01.10.2019 – VI ZR 156/18, juris Rn. 26 f.). (2) Gemessen an diesen Maßstäben genügt die streitgegenständliche qualifizierte Nachrangklausel in § 9 des Darlehensvertrags auch unter Berücksichtigung der aktenkundigen Zeichnungs- und Prospektunterlagen nicht den Transparenzanforderungen des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Einem juristisch und kaufmännisch nicht vorgebildeten Durchschnittskunden werden die rechtliche Tragweite der getroffenen Nachrangabrede und die mit ihr verbundenen wirtschaftlichen Nachteile nicht in ausreichendem Maße verdeutlicht. Dies gilt vor allem in Bezug auf die Vertragsbedingungen zur vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre, mithin die Ausgestaltung der Tilgungs- und Zinszahlungsbedingungen außerhalb eines Insolvenzverfahrens. (a) Es mangelt im Ausgangspunkt bereits an einer für durchschnittliche Verbraucher verständlichen Beschreibung des angebotenen Anlageprodukts als qualifiziertes

Nachrangdarlehen, die eine einfache und greifbare Erfassung des besonderen Vertragscharakters ermöglichen könnte. Die der Klägerin angebotene Vereinbarung ist mit dem Begriff ‚Darlehen

svertrag‘ überschrieben. Der Zeichnungsschein richtet sich nach seiner Überschrift auf ein ‚Darlehensangebot‘ der U…… IV GmbH & Co. KG. Auch im Übrigen findet die Formulierung ‚Darlehen‘ sowohl im Darlehensvertrag als auch im Verkaufsprospekt wiederholte Verwendung, was der Beklagte als teils bewusste Entscheidung eingeräumt hat. Mit dieser Vorgehensweise wurde gegenüber durchschnittlichen Kunden eine unbedingte Rückzahlbarkeit (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB) suggeriert. Weder dem Darlehensvertrag noch dem Verkaufsprospekt ist eine zusammenfassende und erläuternde Beschreibung des qualifizierten Nachrangdarlehens, einschließlich der vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre, zu entnehmen.“

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