TAN-Mitteilung am Telefon an Kriminelle: Landgericht Saarbrücken zum Aktenzeichen 1 O 181/20

Eine telefonische Weitergabe einer oder mehrerer TAN im Rahmen des Online-Bankings legt den Vorwurf einer grob fahrlässigen Verletzung von Pflichten der Bankkundenperson aus der entsprechenden Ziffer der Online-Banking Bedingungen nahe, gleichwohl kann der Bankkunde das von Betrügern gestohlene Geld zumindest hälftig auf die Bank abwälzen. Das Landgericht Saarbrücken begründet dies in seinem Urteil vom 9.12.2022 zum Aktenzeichen 1 O 181/20 damit, dass sich der Bankkundenperson bei einer Gesamtschau aller Umstände – das ungewöhnliche telefonische Erfragen mehrerer TAN entgegen der Online-Banking-Bedingungen sowie der Hinweis “IBAN” auf dem TAN-Generator bei dem Generieren der TAN für die Hinzufügung einer fremde IBAN sowie eine auffälligen Änderung des Transaktionslimits – hier aufdrängen musste, dass es sich nicht um einen regulären Vorgang, sondern um einen Betrug handelte. Diese Verletzung der Geheimhaltungspflichten sei auch ursächlich geworden für den eingetretenen Schaden.

Opfer von Betrug beim Online-Banking – Fachanwalt für Bankrecht hilft

Das Landgericht Saarbrücken unterstreicht in seinem Urteil vom 9.12.2022 zum Aktenzeichen 1 O 181/20, dass „sich eine pauschale Bewertung verbietet“, vielmehr seien „sämtliche Umstände des Einzelfalls zu würdigen.“ Das Gericht führt aus: „Maßstab ist, dass wenn sich jedem Zahlungsdienstenutzer in der entsprechenden Situation sowie dem betroffenen Zahlungsdienstenutzer ganz individuell geradezu aufdrängen musste, dass es sich nicht um einen regulären Vorgang handeln kann, grobe Fahrlässigkeit vorliegt  (…). Ausgangspunkt für diese Wertung ist zunächst die zwischen den Parteien getroffene Rahmenvereinbarung, welche ausdrücklich darauf hinweist, dass TAN nicht außerhalb des Online-Banking mündlich (z. B. per Telefon) weitergegeben werden dürfen. Zwar hat die Zeugin … bekundet, dass in der Vergangenheit es auch zu telefonischen Kontakten mit Mitarbeitern der Beklagten, gerade einem Herrn …, gekommen sei, weshalb die telefonische Kontaktaufnahme nicht ungewöhnlich gewesen sei. Jedoch hat auch die Zeugin eingeräumt, dass es bei diesen Kontakten weder nach der PIN, noch nach einer TAN gefragt worden sei. Daher mag der telefonische Kontakt per se nicht ungewöhnlich gewesen sein, wohl aber die Aufforderung, eine oder sogar mehrere TAN weiterzugeben. Diese Auffälligkeiten werden noch verstärkt durch den konkreten Ablauf bei Generierung der TAN, die zum Hinzufügen einer IBAN zu der White-List benötigt wurden. Wie die Zeugin … und der Zeuge … mit dem TAN-Generator übereinstimmend in der mündlichen Verhandlung vom 10.02.2021 demonstriert haben ist hierfür nach dem Drücken der Taste mit der Beschriftung ‚TAN‘ zunächst erforderlich, einen Startcode einzugeben. Im Anschluss erscheint im Display die Anzeige ‚IBAN‘, woraufhin man eine weitere zehnstellige Nummer (die letzten zehn Ziffern der hinzuzufügenden IBAN) eingeben muss. Erst im Anschluss wird durch den Generator eine TAN generiert. Bei einer Gesamtschau aller Umstände – das ungewöhnliche telefonische Erfragen mehrerer TAN entgegen der Online-Banking-Bedingungen sowie der Hinweis ‚IBAN‘ auf dem TAN-Generator bei dem Generieren der TAN – musste sich der Zeugin, welche schon seit langer Zeit Online-Banking nutzt und der bekannt war, dass mittels einer TAN auch ein Zahlungsvorgang freigegeben werden kann, daher aufdrängen, dass es sich nicht um einen regulären Vorgang sondern nur um einen Betrug handelte. Von daher ist eine grobe Fahrlässigkeit der Zeugin … anzunehmen.“

Fachanwalt für Bankrecht holt die Erstattung von der Bank

Im hier zu entscheidenden Fall kam erschwerend zu Lasten der Bank hinzu, dass ein technisches internes Schutzsystem der Bank eine Reihe von Echtzeitüberweisungsversuchen der Betrugstäter zurückgewiesen hat, Stunden später erfolgte neue Überweisungsversuche auf die gleiche Betrüger-IBAN jedoch ausgeführt wurden. Das Landgericht Saarbrücken führt im Urteil vom 9.12.2022 zum Aktenzeichen 1 O 181/20 grundlegend folgendes aus und nimmt ein Mitverschulden der Bank von 50 % mit folgender Begründung an: „Die Beklagte muss sich ein anspruchsminderndes Mitverschulden in Höhe von 50 % anrechnen lassen, beschränkt aber auf die Überweisungen, die ab 22:40 Uhr erfolgten. aa) Diesbezüglich gilt in rechtlicher Hinsicht, dass ein Mitverschulden des Zahlungsdienstleisters beim Onlinebanking bestehen kann, wenn keine ausreichende Systemsicherheit gewährleistet wird, da der Dienstleister zur Bereitstellung eines technisch sicheren Onlinebanking-Systems verpflichtet ist (BGH, Urteil vom 24.04.2012 − XI ZR 96/11, NJW 2012, 2422; MüKoBGB/Zetzsche, 9. Aufl. 2023, BGB § 675 v Rn. 58; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Herresthal, 3. Aufl. 2020, 3. Kap. BGB § 675v Rn. 72). Bezogen auf die konkreten Pflichten des Zahlungsdiensteleisters wurde etwa ein Mitverschulden angenommen, wenn etwa ein veraltetes Authentifizierungsverfahren verwendet wird, welches nicht mehr dem Stand der Technik entspricht (so für das einfache TAN Verfahren KG, Urteil vom 29.11.2010 – 26 U 159/09, BeckRS 2010, 31105; Köbrich, VuR 2015, 9). Auch kann ein Mitverschulden angenommen werden, wenn der Zahlungsdiensteleister mit Ausführung des Zahlungsvorgangs den mit dem Zahler vereinbarten Verfügungsrahmen überschreitet (BGH, Urteil vom 24.04.2012 − XI ZR 96/11, NJW 2012, 2422; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Herresthal, 3. Aufl. 2020, 3. Kap. BGB § 675v Rn. 71). bb) Des Weiteren kann ein Mitverschulden in Betracht kommen, wenn das Kreditinstitut gegen eine zum Schutz des Kunden bestehende Warnpflicht verstoßen hat. Eine solche ist hingegen nur in Ausnahmefällen anzunehmen. Kreditinstitute werden im bargeldlosen Zahlungsverkehr nur zum Zweck der technisch einwandfreien, einfachen und schnellen Abwicklung tätig und haben sich schon wegen dieses begrenzten Geschäftszwecks und der Massenhaftigkeit der Geschäftsvorgänge grundsätzlich nicht um die beteiligten Interessen ihrer Kunden zu kümmern. Eine Warnpflicht besteht erst dann, wenn die Bank ohne nähere Prüfung im Rahmen der normalen Bearbeitung eines Zahlungsverkehrsvorgangs auf Grund einer auf massiven Verdachtsmomenten beruhenden objektiven Evidenz den Verdacht einer Veruntreuung bzw. Fremdschädigung des Kunden schöpft (BGH, Urteil vom 24.04.2012 − XI ZR 96/11, NJW 2012, 2422;Ellenberger/Bunte BankR-HdB, § 33. Bankgeschäfte online Rn. 128). Hierbei kann auch zu berücksichtigen sein, wenn auffällige Verfügungen im Minutentakt erfolgen und keine Rückfrage erfolgt, ob diese Verfügungen bekannt sind (OLG Bremen, Beschluss vom 19.05.2021 – 1 W 4/21, NJW-RR 2021, 1063). cc) Nach diesen rechtlichen Maßstäben muss sich die Beklagte im vorliegenden Fall betreffend die Überweisungen, welche am 12.04.2020 ab 22:40 Uhr erfolgten ein Mitverschulden anrechnen lassen.“

Gerne berät unsere Fachanwaltskanzlei DR. GÄBHARD RECHTSANWALTSKANZLEI Sie umfassend, welche Rechtsposition Sie als geschädigter Bankkunde haben, wenn Sie das Opfer von Betrügern mittels Telefonanrufen, Phishing, Rücküberweisungstrojanern, gefälschten Faxsendungen oder Briefpostaufträgen, Datendiebstahl durch Handy-SIM-Card-Kopie, Hacking von Wallets oder Banking-Apps oder sonstiger Methoden geworden sind und sicherstellen wollen, dass die Bank Ihnen den Schaden wegen des unsicheren technisch mangelhaften und veralteten Sicherheitssystems der Bank erstattet. Wir führen erfolgreich außergerichtliche Korrespondenzen mit Banken und Sparkassen durch und sorgen dafür, dass Sie passend zu Ihrem Fall und den rechtlichen Voraussetzungen dabei schadensneutral gestellt werden oder zumindest nur einen kleinen Teilschaden tragen müssen.

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