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Emissionsprospekt erst nach der Anlagezeichnung – Bundesgerichtshof im Urteil vom 8.7.2010 zum Aktenzeichen III ZR 249/09

In einer wichtigen neuen Entscheidung vom 8.7.2010 zum Aktenzeichen III ZR 249/09 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass im Falle der Kenntniserlangung und Erstdurchsicht eines Emissionsprospektes nach dem Beitritt der Kunde den Prospekt nicht zu analysieren braucht, sondern sich auf die mündlichen Zusicherungen der Beratergesellschaft verlassen darf. Das oberste deutsche Zivilgericht stellt klar, dass ein Mitverschulden des Anlageinteressenten im Falle eines Schadensersatzanspruchs wegen der Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten nur unter besonderen Umständen zur Anrechnung kommen würde, weil sich der Anleger regelmäßig auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der ihm erteilten Aufklärung und Beratung verlassen dürfe.

Rechtslage bei Prospektübergabe vor der Zeichnung

Zum Sinn und zur Bedeutung von Verkaufsprospekten im Kapitalanlagebereich führt der Bundesgerichtshof im Urteil vom 8.7.2010 zum Aktenzeichen III ZR 249/09 zunächst grundlegend aus, dass dem Anlageprospekt in aller Regel eine große Bedeutung für die Information des Anlageinteressenten über die ihm empfohlene Kapitalanlage zukommt. Sofern der Prospekt geeignet sei, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln, und er dem Anleger rechtzeitig vor Vertragsschluss überlassen worden sei, könne die Aushändigung eines Prospekts im Einzelfall ausreichen, um den Beratungs- und Auskunftspflichten Genüge zu tun. Das Gericht nimmt dazu dann Bezug auf frühere Urteile des Senates, u.a.  vom 18.1.2007 zum Aktenzeichen III ZR 44/06,  vom 12.7.2007 zum Aktenzeichen III ZR 145/06, vom 5.3.2009 zum Aktenzeichen III ZR 302/07, vom 5.3.2009 zum Aktenzeichen III ZR 17/08 und vom 2. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes vom 21.3.2005 zum Aktenzeichen II ZR 310/03. Es läge daher zweifellos im besonderen Interesse des Anlegers, einen werthaltigen und aussagekräftigen Prospekt eingehend durchzulesen. Andererseits, so der Bundesgerichtshof weiter, würde der Anleger, der bei seiner Anlageentscheidung bewusst die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse eines Anlageberaters oder Anlagevermittlers in Anspruch nimmt, den Ratschlägen, Auskünften und Mitteilungen des Anlageberaters oder -vermittlers, die dieser ihm in einem persönlichen Gespräch unterbreitet, besonderes Gewicht beimessen. Da Prospektangaben, die notwendig auch teilweise sehr allgemein gehalten seien und deren Detailfülle, angereichert mit volks-, betriebswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Fachausdrücken, für viele Anleger eine anstrengende und daher eher nicht gewählte Lektüre seien, würden diese Prospektinhalte demgegenüber zu mündlichen Berateraussagen regelmäßig in den Hintergrund treten, jedenfalls dann, wenn eine persönliche Anlageberatung Grundlage der Entscheidung des Interessenten für ein Finanzprodukt sei.

Kein grobes Verschulden durch Nichtdurchsicht des Verkaufsprospektes nach dem Erwerb

Sofern ein Anleger somit den Prospekt erst nach der Zeichnung des Anlageproduktes ausgehändigt bekäme und auf den Rat und die Angaben seines Beraters oder Vermittlers vertrauen wurde und deshalb davon absehen würde, den ihm übergebenen Anlageprospekt durchzusehen und auszuwerten, so sei darin im Allgemeinen kein in subjektiver und objektiver Hinsicht „grobes Verschulden gegen sich selbst“ zu sehen. Unterlasse der Anleger somit eine Kontrolle des Beraters oder Vermittlers durch Lektüre des Anlageprospekts nach der Zeichnung, so weise dies auf das bestehende Vertrauensverhältnis hin und sei daher für sich allein genommen nicht schlechthin unverständlich oder unentschuldbar. Im Rahmen eines Schadensersatzprozesses gegen einen Anlageberater oder Anlagevermittler könne sich dieser nicht auf ein Mitverschulden des Kunden berufen, wenn dieser den nach der Zeichnung der Kapitalanlage mitgegebenen Verkaufsprospekt nicht durchgelesen hat.

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