Bundesgerichtshof zu Namensschuldverschreibungen: AGB-Kontrolle schützt vor unlauterem Eingriff in wesentliche Anlegerrechte: Urteil vom 16.1.2020 zum Aktenzeichen IX ZR 351/18

Der Bundesgerichtshof stellt in seiner aktuellen Entscheidung vom 16.1.2020 zum Aktenzeichen IX ZR 351/18 erfreulicherweise wichtige Grundsätze zum Schutz von Anlegern von Namensschuldverschreibungen auf! Im zu entscheidenden Fall hatte ein Kapitalanleger vier Namensschuldverschreibungen an einem Unternehmen gezeichnet. In den Anleihebedingungen war geregelt, dass eine Treuhänderin den Anlegern vorgeschaltet war, bei der es sich um eine von der Emittentin benannte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft handelte, welche die Verwaltung und Wahrnehmung sämtlicher sich aus den Schuldverschreibungen ergebender Rechte der Anleger obliegen sollte. Außerdem hieß es dort, dass nach § 18 der Anleihebedingungen im Hinblick auf Rechte und Pflichten des Anlegers Beschlüsse in Anlegerversammlungen gefasst werden könnten, was die Treuhänderin aufgrund ihrer Vollmacht für die Anlegerrechte dann mehrheitlich realisieren können würde.

Missbräuchliche Umwandlung der Namensschuldverschreibungen in wertlose Aktien

Anlässlich von Anlegerversammlungen wurden die Anleihebedingungen durch breiten Mehrheitsbeschluss, wobei die Anleger überwiegend durch die Treuhänderin vertreten wurden, dahingehend modifiziert, dass die Rückzahlung des Anleihekapitals und der vereinbarten Zinsen vorzeitig durch eine Übertragung von Aktien einer Drittgesellschaft erfüllt werden könnten. Die Emittentin stimmte den Beschlüssen jeweils zu. Die Folge der Beschlussumsetzungen war, dass allen Anleihegläubigern dann mehr oder weniger wertlose Aktien anstelle der ursprünglichen Anleihen zugeordnet wurden. Der im Sachverhalt, der dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorlag, klagende Anleihegläubiger kündigte seine Anleiheverträge und verlangte seine Einzahlungen zuzüglich Zinsen erfolgreich zurück.

Anleihebedingungen unterliegen der AGB-Kontrolle

Anleihebedingungen, so der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 16.1.2020 zum Aktenzeichen IX ZR 351/18, sind als Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen. Sie unterliegen daher einer Inhaltskontrolle. Zwar findet, so das oberste deutsche Zivilgericht, gemäß § 310 Abs. 4 BGB eine Prüfung nach Maßgabe der §§ 305 ff BGB bei Verträgen auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts nicht statt. Davon würden jedoch Verträge über die Gewährung von Schuldverschreibungen nicht umfasst, weil sie keine gesellschaftsrechtlich geprägten Mitgliedschaftsrechte seien, sondern sich in einem bestimmten geldwerten Anspruch erschöpfen würden und darin ihr Charakter als schuldrechtliches Gläubigerrecht zum Ausdruck kommen würde. Dabei bezieht sich der Bundesgerichtshof insbesondere auch auf seine früheren Urteile vom 5.10.1992 zum Aktenzeichen II ZR 172/91 und vom 30.6.2009 zum Aktenzeichen XI ZR 364/08. Die Bedingungen der Namensschuldverschreibungen, so der Bundesgerichtshof weiter, unterlägen somit als Allgemeine Geschäftsbedingungen einer gerichtlichen Inhaltskontrolle und das Beschlussfassungsrecht in § 18 der Anleihebedingungen im Sachverhalt verstoße jedenfalls gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Unangemessene Benachteiligung der Anleihegläubiger durch Intransparenz bezüglich Nachteilen und Belastungen

Der Bundesgerichtshof führt sodann weiter aus, dass eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners, die gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB die Unwirksamkeit der betreffenden Bestimmung zur Folge hat, sich auch daraus ergeben könne, dass eine Regelung in den Anleihebedingungen nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot verpflichte den Verwender von Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner, also der Anleihegläubiger als Kapitalanleger hier, möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Der Verwender müsse folglich einerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Der Vertragspartner solle andererseits ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte feststellen können, damit er nicht von deren Durchsetzung abgehalten werde. Dies gälte auch für die Bestimmungen zu den Hauptleistungspflichten. Die Klausel müsse zudem die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen für einen durchschnittlichen Vertragspartner soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden könne. Abzustellen sei dabei auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines typischen Vertragspartners bei Verträgen der geregelten Art, so der Bundesgerichtshof unter Bezug auf sein früheres Urteil vom 26.3.2019 zum Aktenzeichen II ZR 413/18. Da die Klausel in § 18 der Anleihebedingungen im zu entscheidenden Fall lediglich vorsähe, dass die Anlegerversammlung Beschlüsse “um Rechte und Pflichten” der Anleger treffen kann, fehle es für den Begriff der Rechte und Pflichten an jeglicher Konkretisierung. Der Anleger müsse sich wenigstens ein grobes Bild davon machen können, welche Belastungen auf ihn zukommen könnten. Ein mehr oder weniger schrankenloses Ermessen sei mit dem Transparenzgebot unvereinbar.

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