Sparbuch-Vorlage – Beweislast zur früher erfolgten Zahlung: Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil von 20.12.2022 zum Aktenzeichen 17 U 151/21

Muss die Bank zahlen, wenn ein nicht entwertetes Sparbuch nach 27 Jahren von der Sparbuchinhaberperson vorgelegt wird? „Auf den ersten Blick grundsätzlich ja, aber …“ sagt das Oberlandesgericht Karlsruhe im Urteil vom 20.12.2022 zum Aktenzeichen 17 U 151/21, denn das Kreditinstitut trägt zwar nach der Rechtsauffassung des Gerichts die Darlegungs- und Beweislast für die bereits erfolgte Erfüllung des Auszahlungsanspruchs auch in Fällen, in denen lange Zeit keine Eintragungen in das Sparbuch vorgenommen wurden und handelsrechtliche Aufbewahrungsfristen abgelaufen sind. Allerdings sei zu beachten: Die Unrichtigkeit eines Sparbuchs könne zwar nicht allein mit bankinternen Unterlagen nachgewiesen werden. Diesen komme jedoch im Rahmen der Beweiswürdigung ein größeres Gewicht zu, wenn weitere Umstände hinzutreten. Im hier zu entscheidenden Fall ging es um ein Sparbuch aus dem Jahr 1992, zu dem das Sparguthaben 2019 gekündigt wurde und die Kundin im Jahr 2020 das im Sparbuch ausgewiesene Sparguthaben ausgezahlt haben wollte.

Sparbuch als verbrieftes Auszahlungsrecht – Fachanwalt für Bankrecht berät Sie

Ein Sparbuch ist ein verbrieftes Auszahlungsrecht, so dass nach der Kündigung das Sparguthaben bei der Vorlage des Sparbuchs von dem Kreditinstitut auszuzahlen ist. Auffällig war im hier zu entscheidenden Fall allerdings, dass auf dem Girokonto der Bankkundin bei dem gleichen Kreditinstitut am ‌16‌.‌4‌.‌1998‌ ein Betrag von 103.961,17 DM eingegangen war, der genau dem Guthaben auf dem Sparbuch zu diesem Zeitpunkt entsprach. Die Bankkundin wollte nun ausweislich des Sparbuchs bei der Kündigung im Jahr 2019 diesen Betrag zuzüglich weiterer Sparzinsen in der Zwischenzeit beanspruchen. Die Bankkundin äußerte dabei zu ihrer Rechtsfertigung die Vermutung, der Zahlungseingang von 103.961,17 DM auf ihrem Girokonto müsse aus „über Monate gesammelten, möglicherweise buchhalterisch nicht vollständig erfassten Bareinnahmen aus dem Obstbaubetrieb von ihr und ihrem Mann stammen“. Dieser Behauptung schenkte das Oberlandesgericht Karlsruhe keinen Glauben und führt im Urteil aus: „Der Klägerin steht kein Anspruch auf Auszahlung des Sparguthabens aus § 700 Abs. 1 Satz 1, § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB zu. (…) Der Anspruch auf Auszahlung des Sparguthabens ist jedoch durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). a) Wird ein nicht entwertetes Sparbuch vorgelegt und ist – wie hier – nur streitig, ob der Anspruch auf Auszahlung dieses Guthabens von dem Kreditinstitut bereits erfüllt worden ist, trägt das Kreditinstitut die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung des Auszahlungsanspruchs (BGH, Beschluss vom 21. September 1989 – III ZR 55/89 -, juris Rn. 2; Urteile vom 4. Juni 2002 – XI ZR 361/01, BGHZ 151, 47, 49 und vom 18. Januar 2022 – XI ZR 380/20 –, BGHZ 232, 215-227 Rn. 31 mwN). Eine Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Auszahlung kommt nicht allein deshalb in Betracht, weil der Inhaber des Sparbuchs über Jahrzehnte keine Eintragungen vornehmen ließ oder – jedenfalls nach dem Vorbringen des Kreditinstituts – die handelsrechtliche Aufbewahrungsfrist abgelaufen ist (BGH, Urteil vom 18. Januar 2022 – XI ZR 380/20 –, BGHZ 232, 215-227 Rn. 31 mwN). Die Unrichtigkeit eines Sparbuchs kann insoweit nicht alleine mit bankinternen Unterlagen nachgewiesen werden (OLG Köln, Urteil vom 9. Juli 2003 – 13 U 133/02 –, juris Rn. 16; vgl. auch OLG Frankfurt, Urteil vom 22. Dezember 1988 – 1 U 216/87 –, NJW-RR 1989, 1517, 1518; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 31. Mai 1989 – 5 U 74/89 –, juris; OLG Zweibrücken, Urteil vom 25. November 2020 – 7 U 82/18 –, juris Rn. 36). Bankinterne Unterlagen gewinnen allerdings ein anderes, größeres Gewicht, wenn weitere Umstände hinzutreten, zu denen auch ein erheblicher Zeitablauf gehören kann (vgl. OLG Köln, aaO; OLG Zweibrücken, aaO). b) Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte die Auszahlung des Sparguthabens bewiesen. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Zeuge E. Sch. am 16. April 1998 das damals von der Beklagten errechnete Sparbuchguthaben von 103.961,17 DM auf Weisung des dazu bevollmächtigten Ehemannes auf das Girokonto der Klägerin gebucht und unmittelbar anschließend auf ein Festgeldkonto der Klägerin (in Höhe von 51.980,59 DM) und ihres Ehemannes (in Höhe von 51.980,58 DM) überwiesen hat. Diese Feststellungen sind für den Senat bindend.“

Neben dem erheblichen Zeitablauf zwischen der letzten Eintragung im Sparbuch von 1997 und der Aufforderung der Auszahlung des angeblichen Sparguthabens im Dezember 2019 erklärte das OLG Karlsruhe, dass die Klägerin, die sich jeweils zeitnah um die Wiederanlage von abgelaufenen Sparguthaben auf ihren sonstigen Sparbüchern gekümmert hatte, ein hohes Guthaben nicht so lange unbeachtet gelassen hätte.

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